Veranstaltung: | Kreismitgliederversammlung 01.10.2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Abstimmung über die Stellung des BDK-Antrages „Handlungsfähigkeit der Kommunen durch auskömmliche Finanzierung und Altschuldenabbau stärken“ (Arbeitstitel) durch den Kreisverband Hagen |
Antragsteller*in: | Tobias Rödel (KV Hagen) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 30.09.2024, 17:11 |
Antrag an die Bundesdelegiertenkonferenz: Handlungsfähigkeit der Kommunen durch auskömmliche Finanzierung stärken
Antragstext
Die KMV beschließt, folgenden Antrag für die nächste BDK zu stellen:
Antragstext:
Unsere Demokratie ist in Gefahr. In Thüringen ist die Partei eines Faschisten
stärkste Kraft geworden und in der ganzen Bundesrepublik befindet sich die AfD
im Höhenflug.
Der Frust über demokratische Parteien ist insbesondere dort hoch, wo es zu wenig
Geld gibt. Dort wo vor Ort Schulen bröckeln, Straßen schon Jahre
sanierungsbedürftig sind und politische Vorschläge am Geld scheitern – hier sind
die Hochburgen der AfD und hier werden demokratische Stimmen immer leiser.
Um unsere Demokratie zu retten, brauchen wir handlungsfähige Kommunen.
Jede zweite Kommune sieht sich finanziell nicht in der Lage den Klimaschutz
anzugehen. 15% der Kommunen können langfristig keinen ausgeglichenen Haushalt
aufstellen, viele von Ihnen sind in der sogenannten Haushaltssicherung und
können eigenständig überhaupt keine Investitionen tätigen. Selbst in
Bundesländern wie Niedersachsen haben nur 10 von 400(!) Kommunen keine Schulden.
Darüber hinaus belaufen sich die Investitionsrückstände auf 186,1 Milliarden
Euro, allein um die kommunale Infrastruktur auf aktuellem Niveau zu halten. Kein
Wunder, denn schon jahrelang investiert hier fast kein EU-Land so wenig wie
Deutschland.
Für diese Lage ist auch die starre und unflexible Schuldenbremse verantwortlich,
da die Kommunen die Schulden machen müssen, die Bund und Länder nicht aufnehmen
dürfen. Gleichzeitig sind hohe Sozialausgaben eine wichtige Erklärung für
Finanzschwäche. Denn dort, wo besonders viele Menschen für Leistungen berechtigt
sind, sind häufig auch die Steuereinnahmen geringer. Hier geraten Kommunen in
einen Teufelskreis, denn es fehlt das Geld, um in die Zukunft der Bewohner zu
investieren.
Es muss etwas passieren, damit unsere Kommunen wieder allen Menschen ein gutes
Leben ermöglichen und eine lohnende Zukunftsperspektive zeichnen zu können. So
bekämpfen wir populistische Akteure und stärken die demokratischen Kräfte.
Die BDK fordert die Bundestagsfraktion und alle Grünen in
Regierungsverantwortung dazu auf, Vorschläge zur Entlastung kommunaler Haushalte
zu erarbeiten und sich parlamentarisch einzubringen mit dem Ziel, dass alle
Kommunen wieder finanziell handlungsfähig im Sinne der kommunalen
Selbstverwaltung werden. Maßnahmenpakete dabei sind:
- Sozialaufgaben und weitere an die Kommunen übertragene Aufgaben müssen
vollständig und im Sinne des Konnexitätsprinzip von den Ländern und dem
Bund übernommen werden. Aufgrund diverser Finanzierungslücken, die hier
bereits vorliegen, müssen sich Länder und Bund stärker engagieren.
Schnelle Entlastungen bei den Aufgaben des Sozialstaats, zum Beispiel den
Kosten der Unterkunft, sind nötig.
- Die Transparenz im Umgang mit öffentlichen Fördermitteln und Geldflüssen
wird erhöht. Dazu wird die schon bestehende Förderdatenbank ausgebaut und
die Förderungen an den tatsächlichen Bedürfnissen und der tatsächlichen
finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtet. Ebenfalls wird dies durch
die Einrichtung eines Investitions- und Transformationsfonds umgesetzt,
der Kommunalinvestitionen ausgiebig und insbesondere in strukturschwachen
Gebieten fördert.
- Die aktuell über Förderprogramme ausgeschütteten Gelder werden zukünftig
vermehrt den Kommunen direkt zur Verfügung gestellt. Das spart Bürokratie
und vereinfacht die zielgerechte Verwendung der Gelder. Insbesondere soll
dies durch eine Stärkung der ungebundenen kommunalen Mittel erreicht
werden. Dies wäre über eine nach Bedarf und nicht finanzieller
Leistungsfähigkeit orientierte Verteilung des kommunalen Anteils an der
Gewerbesteuer und den Gemeinschaftssteuern (z.B. Einkommenssteuer,
Umsatzsteuer) umsetzbar.
- Begleitend wird die Doppik auch für Bund und Länder eingeführt, um eine
größere Transparenz hinsichtlich öffentlicher Vermögenswerte und Schulden
zu erlangen. Die systemischen wie personellen Weichenstellungen sind
vorzunehmen.
- Hochverschuldete Kommunen stehen vor großen Herausforderungen, wenn sie in
die Zukunft investieren wollen. Es müssen deshalb langfristige Lösungen
gefunden werden, damit die Lebensverhältnisse in den Kommunen sich nicht
strukturell auseinanderentwickeln. Hochverschuldete Kommunen müssen in die
Lage versetzt werden, sich selbst zu helfen. Damit Kreditaufnahmen auch in
Zukunft finanzierbar bleiben und Lasten verteilt werden, wäre eine
Möglichkeit, sie bei der Finanzierung der Zinslast aus notwendigen
Kassenkrediten zu unterstützen.
Allgemein bekräftigt und erneuert die BDK damit die Bestrebungen aus dem grünen
Grundsatzprogramm, dem Bundestagswahlprogramm sowie dem Koalitionsvertrag der
aktuellen Ampelkoalition zur Wiederherstellung und Wahrung der finanziellen
Handlungsfähigkeit in den Kommunen.
Begründung:
In Zeiten wachsender populistischer Bestrebungen muss Kommunalpolitik als
Gesicht der Demokratie vor Ort im Fokus aller Akteure stehen und von
diesen größtmögliche Unterstützung erfahren.
Die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse und der Zusammenhalt der
kommunalen Familie ist durch die Krisenbewältigungen der letzten Jahre aus dem
Fokus geraten. Dabei haben die letzten Krisen und das Erstarken der
antidemokratischen Kräfte bereits gezeigt, wie wichtig die Handlungsfähigkeit
der Kommunen für unsere Gesellschaft ist.
Statt sich auf gleichwertige Lebensverhältnisse hin zu bewegen, drohen die
Kommunen in Deutschland weiter auseinanderzudriften und die Spaltung der
kommunalen Familie schreitet voran. „Arme“ Städte und Gemeinden mit hohen
Schuldenbergen und überdrehten Steuer- und Gebührenschrauben rutschen im
Wettbewerb gegen „reiche“ Kommunen mit auskömmlichen Steuereinnahmen immer
tiefer ins Abseits. Sie verlieren bereits jetzt Bürger*innen, Fachkräfte und
Unternehmen an Kommunen, die den finanziellen Spielraum besitzen, um das
Gemeinwesen zukunftsfähig zu gestalten. Dabei nimmt die Anzahl der „reichen“,
also wirklich eigenständigen Kommunen, stetig ab und deutlich mehr als die
Hälfte der Kommunen gibt an, keine Zukunftsinvestitionen tätigen zu können.
Faktisch profitiert fast jede Kommune von einem anderen Finanzierungssystem –
und die Schwächsten zuerst.
Finanzschwächere Kommunen befinden sich auf verschiedene Weise in kaum
aufzuhaltenden Abwärtsspiralen, die dringend gestoppt werden müssen. Ein paar
Beispiele:
- Finanzschwache Kommunen werden durch den Investitionsstau zunehmend
schwerer belastet. – Kommunale Infrastruktur droht zunehmend zu zerfallen:
Beim ÖPNV wird gespart, Straßen und Plätze werden nicht instandgehalten,
Schwimmbäder werden geschlossen und nicht saniert. Schulgebäude bleiben im
20. Jahrhundert stehen, Bibliotheken werden eingespart und der Klimaschutz
bleibt im Sparzwang stecken.
- Finanzschwache Kommunen sind bei der Verteilung von Landes- und
Bundesmitteln oft benachteiligt. – Große Teile der Stadtentwicklung (und
damit Verbesserungen der Lebensqualität vor Ort) geschehen aktuell durch
Förderprogramme. Finanzschwache Kommunen haben aufgrund des
Personalmangels (siehe oben) Schwierigkeiten damit, rechtzeitig oder sogar
proaktiv qualitativ hochwertige Förderanträge zu schreiben. Außerdem
können die Eigenmittel für Förderprogramme, die eigentlich notwendig
wären, um aus der Misere herauszukommen, nicht immer aufgebracht werden.
So geraten die schwächsten Kommunen gerade bei Zukunftsprojekten, wie
Klimaschutz und Klimaanpassung ins Hintertreffen.
- Finanzschwache Kommunen versuchen kurzfristig alleine die Anforderungen zu
erfüllen und büßen damit langfristig weitere Finanzmittel ein. –
Finanzschwache Kommunen stabilisieren ihre kommunalen Haushalte in
Ermangelung von Alternativen durch das Anheben von Gebühren und Steuern.
Die Bürger*innen werden dadurch stetig weiter belastet; weitere
Einsparungen führen zudem zu einer Verschlechterung der Lebensqualität vor
Ort. In der Folge wandern Unternehmen in andere Städte ab, wodurch sich
die Finanzlage weiter zuspitzt.
- Finanzschwache Kommunen haben einen strukturellen Nachteil beim Anwerben
von qualifizierten Verwaltungsmitarbeiter*innen. – Das durch die ohnehin
schon schlechte finanzielle Ausstattung erzeugte unattraktive
Arbeitsumfeld verstärkt den schon existierenden Fachkräftemangel noch
einmal dramatisch. Dieser Personalmangel sorgt für ein allgemeines
Abrutschen der Lebensverhältnisse und ein damit noch unattraktiveres
Arbeitsumfeld.
- Finanzschwache Kommunen können die Aufgaben, die bei Ihnen liegen nicht
ausreichend erfüllen. – Finanzschwache Kommunen haben Schwierigkeiten,
Hilfsangebote (z.B. aufsuchende Sozialangebote, Hilfen zur Pflege,
(inklusive) Jugendhilfe, Ganztagsbetreuung in Kita und Schule, o.ä.) in
ausreichender Menge und Qualität zu finanzieren, womit die Menschen länger
in den Sozialsystemen bleiben, als notwendig wäre.
Die Verletzung des Prinzips der auskömmlichen Finanzierung pflichtiger Aufgaben
hat in der Vergangenheit die Folgen des Strukturwandels verstärkt und für große
Unterschiede in der Lebensqualität und Attraktivität von Regionen gesorgt.
Wirksamere Kontrollmechanismen und eine auskömmliche Finanzierung der
pflichtigen Aufgaben in den Kommunen schon in der Gesetzgebung („Wer bestellt,
bezahlt“) sind nötig.
Dabei halten wir die Finanzierung über Fördermittel des Bundes keineswegs immer
für eine gute Alternative: Sie ist volkswirtschaftlich nicht zielführend, unter
anderem, weil sie mit hohen Bürokratie- und Kontrollaufwänden verbunden ist.
Eine unmittelbare kommunale Verwendung der Mittel würde hingegen die Demokratie
vor Ort stärken. Es ist daher als erster Schritt wichtig, dass es weiterhin
einen zielgerichteten Bürokratieabbau bei kommunalen Förderprogrammen – etwa
durch einen ausdauernden Einsatz für schlanke Richtlinien, zentrale
Förderplattformen und digitale Antrags- und Bewilligungsverfahren – gibt.
Es reicht nicht, unsere Kinder vor fiskalischen Schulden zu schützen, ihnen aber
eine marode Demokratie und Infrastruktur aufzubürden – und eine unbewohnbare
Welt. Das Gegenteil ist der Handlungsauftrag von Politik: Die Vision einer
nachhaltig lebenswerten Welt im Heute mit einer langfristig auskömmlichen
Finanzierung zu hinterlegen, um durch kluge Investitionen das Versprechen einer
sozialökologischen Transformation Realität werden zu lassen.
Die Bekämpfung der Klimakrise, die Verteidigung der Demokratie und die
Gestaltung der offenen Gesellschaft entscheidet sich vor Ort. Hier wird für
Bürger*innen sichtbar, welche Rolle die öffentliche Hand im eigenen Leben spielt
und wie wir durch ein starkes Gemeinwesen vorankommen. Dafür muss es in allen
Kommunen wieder vorwärts gehen!
Begründung
Änderungsanträge sind nicht möglich, da dies ein breit vorabgestimmter Antrag ist.